«BAD HOTEL»
Von den Geistern,die wir riefen

Das Theatergrossprojekt «Bad Hotel» öffnet morgen Freitag in Zürich seine Tore. Mit einer Geister-Überwachungsanlage daran beteiligt ist auch der Berner Videokünstler Dominik Beck.

Glaubt er an Geister? «Ich bin kein Schamane oder habe sonst wie Anschluss an Harry Potters Gespensterwelten», versichert Dominik Beck. Aber ein Blick in die Tageszeitung reiche ihm allemal zur Gewissheit, dass es Geister gibt. Nicht immer bekomme man so prächtige Beweise geliefert, wie im Falle des Zeitungsbildes, worauf Jörg Haider bei seinem Treffen mit Saddam Hussein zu sehen war. «Spezialisten hegen ernsthafte Zweifel darüber, ob Haider tatsächlich mit dem echten Saddam zusammentraf», erklärt Beck. «Es besteht die Möglichkeit, dass ein Double den Part spielte. Ein GEIST also, den erst wir Zeitungsbetrachter und Jörg Haider zum irakischen Diktator gemacht haben.» Beck spricht im Gespensterzusammenhang also nicht von Bettlakengefledder. «Geister sehe ich als Energiefelder im medialen Kanal. Wir geben ihnen Gesichter und glauben, sie dadurch kontrollieren zu können. Eigentlich aber kontrollieren sie uns. Die Geister haben Macht über uns, und das ist es, was mich interessiert.» Überschauen Becks Geister sitzen nicht nur in Bagdad. Ab morgen schweben sie auch durch eine Versuchsanordnung im Theaterhaus der Gessnerallee in Zürich. Seine «Videoinstallation zur Überwachung von Geistern – knt-128» bildet das Herzstück der Theaterprojektes «Bad Hotel». Initiiert von Dirk Thiele und Brigitte Helbling, beherbergen 20 Hotelzimmer in einem in der Theaterhalle aufgebauten Komplex 100 Gäste aus den Bereichen Theater, Tanz, bildende Kunst, Performance und Musik. Individuell, zusammen oder gegeneinander schaffen diese eine ausufernde Theatermaschine. «Das Publikum kriegt die Schlüssel zu den verschiedenen Zimmern. In Schlafräumen, vielleicht im ‹Russen-Zimmer›, in der Wellnesszone oder aber in der Hotelkapelle erwarten das Publikum die unterschiedlichsten Performances», erklärt die Autorin Brigitte Helbling. «In Becks Zimmer trifft es auf den Hotelgeist.» Überwachen In diesem Überwachungsraum hat Beck seine knt-128 stehen. Eine Konstruktion bestehend aus acht Kameras, zwei Monitoren und einem Display, auf welchem der Grundriss des Hotels grünlich schimmert. Unbeirrt streicht der Radarstrahl über die Räume. Pling, pling, pling. Es verstärkt ein sanfter Ton das Gefühl, sich in einem U-Boot zu befinden. Ein schwebendes Lichtknäuel auf dem Radarschirm wird erfasst. Der Widerschein eines Geistes. Der Punkt steht für etwas Materieloses auf der Wanderung durch die Räume des «Bad Hotels». Seine Bahnen zieht es scheinbar willkürlich. Überquert das Wesen die Schwelle von der einen in die andere Zone, so schalten die zwei Monitore auf die Überwachungskamera jenes Zimmers, wo sich das Wesen – laut Lichtpunkt – gerade aufhalten muss. So funktioniert die Maschine. Ein Punkt wird zum Geist, zum Bild eines Geistes, das zu packen der Betrachter verführt werden soll. All das mag nun sehr nach postmodernem Hokuspokus klingen, ganz im Geiste jenes «postdramatischen» Theaters, welches aktuell Triumphe auf den internationalen Bühnen feiert. Hip und multimedial, orientiert am Geschmack eines bildverliebten TV-Publikums, das sich, bildungsfaul, gerne von Oberflächenreizen abholen lässt. «Wieder einer, der Gespenstern nachjagt» möchte man einwenden. Doch was für gewöhnlich sprichwörtlich bleibt, springt einem in Becks Überwachungsinstallation direkt ins Auge. Die Videoüberwachungs-Installation als unbehagliches Spiel, welches sich aus Gegensatzpaaren wie «sichtbar – unsichtbar», «mächtig – ohnmächtig» ergibt. Beobachten «Vom Beobachten des Beobachters der Beobachter» hiess es bei Friedrich Dürrenmatt einmal, der die Überwachungsparanoia als Quell ständiger Inszenierung durchaus schätzte. Auch Beck fasziniert das zweideutige Verhältnis zwischen Bild, Macht und Medium. «Wer sich als Big Brother wähnt, dem dreht dieser Geist eine lange Nase», erklärt Beck. «Nicht das Publikum spielt hier; mit ihm wird gespielt.» Thront der Zuschauer auch vor dem Kontrollpult, und tastet das Radar die Räume für ihn nach dem Wesen ab: Meister im Haus ist er nicht. Der Geist hat längst Macht über seinen Verfolger gewonnen und steuert das Entstehen von Bildern in dessen Kopf ganz nach Belieben. Er bestimmt, was wir sehen wollen. «Ganz so, wie Massenmedien funktionieren.» Aber Beck will diesen Effekt nicht negativ verstanden wissen. Er sieht seine Installation vielmehr als ein «Plädoyer für Geister». «Schliesslich sind sie es, die uns vom Boden langweiliger Realitäten abheben lassen. Ich sage: Alles für die Geister und gegen den gesunden Menschenverstand.»

>>Benedikt Eppenberger / Berner Zeitung (11/2002)

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